Dagmar Rinn stürmt auf das Podest, Georg Nicolai besteht Prüfung

Dagmar Rinn (2. v. r.) feiert ihren Sieg auf der 87er-Strecke zusammen mit Ehemann Wolfgang (2. v.l.) sowie den Vereinskollegen Oliver Böll (l.), Anne Schüttler (M.) und Georg Nicolai (r.). Foto:htr

04.05.2019.
Allein über 6300 Starter bei der Skoda Velotour – das Radrennen Eschborn–Frankfurt war bei strahlendem Sonnenschein auch ein Festtag für die heimischen Zweirad-Cracks.
Erfolgreich bei der Skoda Velotour: Dagmar Rinn (2. v. r.) feiert ihren Sieg auf der 87er-Strecke zusammen mit Ehemann Wolfgang (2. v. l.) sowie den Vereinskollegen Oliver Böll (l.), Anne Schüttler (M.) und Georg Nicolai (r.).           

Was für ein Tag für den deutschen Radsport: Pascal Ackermann triumphiert beim Klassiker Eschborn–Frankfurt nach 187,5 Kilometern und 3222 Höhenmetern, John Degenkolb macht noch vor Titelverteidiger Alexander Kristoff den Doppelsieg perfekt. Allerdings waren es nicht nur die Profis, die an einem Tag mit 17 Rennen die Zuschauer in Frankfurt sowie auf den Straßen zum und im Taunus begeisterten. Viele mittelhessische Rennradfahrer hatten sich am Tag der Arbeit an die Startlinie gestellt und mit zum Teil bemerkenswerten Resultaten auf sich aufmerksam gemacht.

Tim Nissel schnell unterwegs

Die Jugendrennen wurden in der Frankfurter Innenstadt mit Start und Ziel an der Alten Oper ausgetragen, wodurch der Nachwuchs in den Genuss einer imposanten Kulisse kam. In den Lizenzrennen hinterließ besonders der mittelhessische Nachwuchs einen starken Eindruck.

Christiaan van Rees war bei den U15-Jugendlichen über 28 Kilometer (36:50 Minuten) am Ende der Schnellste mit knapp 20 Sekunden Vorsprung. Hier folgte in einem hessischen Duell Tim Nissel von der RV Kleinlinden als Siebter. Bemerkenswert der Hinweis, dass Nissel mit einem Schnitt von 45,20 km/h unterwegs war. Auch hier bildeten 22 Fahrer eine Verfolgergruppe, in der Arvid Koop (45,19 km/h) als 16. noch stark mitzumischen verstand. Kimi-Tjark Dauber (27.) und Samuel Möller (34./alle RV Gießen-Kleinlinden) rundeten den gelungenen Auftritt ab. Der U13-Nachwuchs hatte in der Frankfurter Innenstadt 21 Kilometer zu absolvieren, wobei Jonathan Kowalsky (RV Gießen-Kleinlinden) Rang 15 beim Sieg von Tyler Eyk (TWC de Amstel) belegte. Eyk hatte zehn Sekunden Vorsprung auf das große Feld, mit einer Minute Rückstand war Kowalsky noch in der ersten Hälfte vertreten.

Koop und Schmidt in der Wertung

Auch die Bundesliga war in das große Programm am 1. Mai integriert, die U19 und Masters hatten ihren dritten Durchgang zu absolvieren. Auf 84,5 km entwickelte sich ein sehr schnellen Rennen, bereits am Feldberg riss das Peloton in verschiedene Gruppen auseinander. Nur die 33 Personen umfassende Spitzengruppe durfte später auf die Frankfurter Innenstadtrunde einfahren, wobei Tim Oelke (Stevens Juniorenteam Thüringen) im Massensprint gewann. Leonhard Schneider und Florian Wiegand hatten diesmal einen schönen Lauf und fuhren erstmals in die Wertung, wobei Schneider mit einem Schnitt von 34,7 km/h die 1061 Höhenmeter nach 78 km absolviert hatte. Bei den Master2 hatte Alexander Koop (»bis zum Feldberg war es sehr nervös, dann gab es die erwarteten Gruppenbildungen«) mit einem 37er-Schnitt nach 2:05 Stunden die Alte Oper erreicht. Und viele der heimischen Lizenzfahrer sind bereits am Sonntag (05.05.19) wieder gefragt, wenn in Queidersbach die hessischen Straßenrad-Meister ermittelt werden.

Dass bei der Skoda-Velotour mit der Rekordbeteiligung von 6300 Startern hochkarätige Konkurrenz vertreten war, beweist ein Blick in die Ergebnislisten. Hier sicherte sich zum Beispiel Dr. Steven Willemsen aus den Niederlanden den Sieg, Christoph Mai vom deutschlandweit erfolgreichen Team Strassacker folgte als Dritter. Selbst für Ex-Profi Jörg Ludewig, der dreimal die Tour de France in den Beinen hat und als »Jedermann« auch schon die Tour Transalp unter die Räder genommen hat, reichte es nicht zum Podestplatz, allerdings war er in seiner Altersklasse Master2 nicht zu schlagen.

Auf der 87-km-Distanz lieferte Dagmar Rinn von der RV Gießen-Kleinlinden eine vorzügliche Vorstellung ab. Sie wurde nicht nur unter allen Frauen auf Rang fünf im Gesamtklassement notiert, sie sicherte sich in ihrer Altersklasse Master3 sogar den Sieg. Mit einem 40er-Schnitt bis in den Taunus unterwegs, drückte die Fahrerin vom Team delta-bike.de mit 212 Watt Dauerleistung zudem den Feldberg hoch und erreichte nach 2:45:07 Stunden das Ziel in Eschborn. Vereinskollegin Anne Schüttler versuchte sich ebenfalls auf der 1450 Höhenmeter aufweisenden Strecke und hatte als Master1-Fahrerin mit Platz 14 (3:01:16 Stunden) einen guten Tag erwischt.

Wolfgang Rinn mit 310 Watt

Wolfgang Rinn (Team Tour der Hoffnung) von der RV Gießen-Kleinlinden hatte sich ebenfalls für die 87er-Distanz entschieden und jagte mit einem 42er-Schnitt der Zeitmessung in Oberursel entgegen. Von dort an drückte er in 33 Minuten mit 310 Watt den Feldberg hoch, verpasste allerdings vor dem Ziel den Abzweig und befand sich kurz auf der 100er-Strecke. Dennoch stand am Ende für ihn nach 2:33:09 Minuten Rang neun bei den Master3 zu Buche. Die schnellste Zeit, verbunden mit Platz eins erreichte hier Robert Richter vom LKK Racing Team in 2:12:47 Stunden. Der ehemalige deutsche Meister Dirk Müller fuhr auf Rang sieben vor, verbunden mit dem Sieg in der Master2-Wertung (2:12:58).

Auf der 100er-Distanz mit 1700 Höhenmetern war Rolf Obertreis (RSG Gießen und Wieseck) 15 Minuten schneller als im Vorjahr unterwegs und erreichte nach 3:16:56 Stunden als 30. seiner Altersklasse Master4 das Ziel. – Weitere Ergebnisse auf der 100er-Distanz: Marc Santo (RV Gießen-Kleinlinden, Master1) 2:53:45, Henning Puvogel (RSG Gießen und Wieseck, Master3) 2:56:13, Martin Aslan (RSG Gießen und Wieseck, Master2) 3:11:07, Oliver Böll (RV Gießen-Kleinlinden, Master 3) 3:16:20. Stark unterwegs war auch auf der 40-km-Distanz Daniel Novak von der RSG Gießen und Wieseck, der als Vierter der Männer-Kategorie ganz knapp den Sprung aufs Treppchen verpasste.

Georg Nicolai mit 34er-Schnitt ins Ziel

Geschafft. Im wahrsten Sinne des Wortes. Georg Nicolai hat sein monatelanges Training auf die Skoda Velotour im Rahmen des Profi-Radrennens Eschborn–Frankfurt am Tag der Arbeit zu einem guten Ende gebracht. »Das war ganz schön hart«, war die erste Reaktion bei der Zieldurchfahrt nach der mit 1700 Höhenmetern gespickten 100-km-Distanz. Wir haben den Gießener mit sportlichen Wurzeln im heimischen Fußball mit Landesliga-Stationen unter anderem beim 1. SC Sachsenhausen über Monate hinweg begleitet und den stetigen Formaufbau dabei verfolgt. Allerdings hatte ihn eine Krankheit zu Beginn der Vorbereitungszeit wochenlang »flachgelegt«, und »ich habe schon bei diesem schweren Rennen gemerkt, dass es mir noch immer an den Grundlagen fehlt«. Dennoch zeigte sich der Gießener mit einer Endzeit von 3:16:20 Stunden in der Altersklasse Master3 »zufrieden«.

Georg Nicolai fährt ins Ziel. (Foto: Böhme)

325 Watt am Mammolshainer Stich

Zu den nackten Fakten: Nicolais Herzfrequenz lag durchschnittlich bei 154 und maximal bei 175, im Schnitt hatte er 183 Watt auf die Pedale gedrückt, und die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 34,30 km/h. Damit lag er voll im Soll. Den Feldberg hoch hielt er sich an die Trainervorgabe von 220–240 Watt und benötigte 36 Minuten für das Teilstück, am Mammolshainer Berg schnellte der Wert kurzzeitig bis auf 325 Watt hoch. Apropos Mammolshainer Stich: »Das war schon eine tolle Erfahrung, die vielen Zuschauer haben einen noch einmal zusätzlich gepusht.« Allerdings ist das »Alpe d’Huez des Taunus« nicht nur wegen seiner 23 Prozent Steigung an der steilsten Stelle tückisch. »Da muss man sich schon vorher eine Lücke suchen und höllisch aufpassen. Denn nicht wenige steigen auf einmal ab und schieben, und wenn du da nicht gleich vorbeikommst und selbst absteigen musst, dann kommst du dort nicht mehr in den Tritt.« Und mit den Kräften haushalten galt natürlich an dieser neuralgischen Stelle ganz besonders, denn nach dem Mammolshainer Stich ging es noch etwa zwei Kilometer weiter bergauf mit zwischen vier und fünf Prozent Steigung bis Königstein. Und wer sich einmal »blau gefahren hat, der kommt nicht wieder auf die Beine«.

Die Grafik zeigt, dass Georg Nicolai über 40 Prozent der Rennzeit im obersten Leistungsbereich getreten hat. Der graue Balken für Werte bis zu 109 Watt kommt durch längere Abfahrten zustande. (Screenshot: htr)

Die Oberschenkel brennen

Auch der Start hatte es schon in sich. Nicolai war im sechsten Startblock mit 500 Konkurrenten, und da blieb es nicht aus, dass, wenn man einen »schnellen Zug erwischt hat«, schnell auf andere Starter auffährt. »Man kann nicht überall überholen, besonders an den Engstellen muss man sehr aufpassen«, beschreibt der Angestellte des Universitätsklinikums Gießen/Marburg die Gefahren, die während der 100 Kilometer langen Tortur lauern. »Am Mammolshainer Berg haben meine Oberschenkel derart gebrannt, da hätte man eine Bratwurst darauf grillen können«, versucht der 49-Jährige die Strapazen originell zu veranschaulichen. »Zuerst dachte ich, ich stehe vor einer Wand«, bestätigt Nicolai den Eindruck, dass die Fernsehbilder die wirkliche Steilheit dieses Stiches nicht wiedergeben können. »Danach allerdings habe ich mich schnell erholt und bin mit Vollgas bis ins Ziel gefahren.«

Nächstes Ziel Stilfser Joch

Das Programm von Nicolai hat in diesem Jahr noch einige Höhepunkte vorgesehen. So startet er am ersten Juni-Wochenende in Bormio beim Stelvio, wobei das Stilfser Joch, der zweithöchste asphaltierte Gebirgspass der Alpen, auf 2757 Metern zu erklettern ist. Mit seinem Verein RV Gießen-Kleinlinden ist danach noch eine »Tour Transalp« als mehrtägige Etappenfahrt geplant.

Text  und Bild: R.Herteux

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